26.04.2019

Buchtipp: "Generation Weltuntergang" zu Klimawandel

Hier lest ihr eine gekürzte Vorwort-Fassung aus dem Buch:

Wir sind nicht die letzte Generation,
die den Klimawandel erleben wird,
aber wir sind die letzte Generation,
die etwas gegen den Klimawandel tun kann.
BARACK OBAMA

[…]What the f*ck?! Das fragen sich vor allem jene, die wie wir in den Achtzigern aufwuchsen. Unsere Generation kann sich nämlich noch gut daran erinnern, wie Tschernobyl, saurer Regen und Ozonloch uns damals das Lied vom Tod gespielt haben. Geboren zwischen der ersten Mondlandung und dem Mauerfall waren wir die erste Generation, die bereits im Kindergarten kapierte, dass wir mit der Natur pfleglich umgehen müssen – weil wir bislang eben nur diesen einen Planeten haben, auf dem wir durchs ansonsten lebensfeindliche Weltall eiern. Eine lange Zeit lebten wir in dem Glauben, der Rest der Welt hätte das auch verstanden.

Unsere Kindheit und Jugend waren regelrechte Bootcamps für Umweltretter: Um uns herum wimmelte es nur so von selbst gestrickten Wollsocken, Norwegerpullis, Birkenstocks, Jutetaschen und Müslimühlen, dazu umgab uns eine veritable Menagerie aus Friedenstauben, Blauen Engeln und WWF-Pandas. Wer sich für Flora und Fauna starkmachen wollte, hatte dazu jede Menge Gelegenheit.

 

Bootcamps für Umweltretter: Die Sorge um die Umwelt einte alle

Das gehörte auch zum guten Ton, und zwar quer durch die Gesellschaft – die Sorge um die Umwelt einte alle, vom Lodenjackenbesitzer bis zum Palituchträger: Gefühlt jeder Zweite trug einen Anti-Atomkraft-Button mit der gelben Sonne auf rotem Grund, ganze Klassenverbände rückten aus, um den Wald von Müll zu befreien, und wenn jemand seinen Benz an der roten Ampel laufen ließ, musste er mit einem Anschiss rechnen.

Wer etwas mehr tun wollte, trieb sich auf Demos herum, von denen damals alle naselang eine stattzufinden schien. […] Die Proteste in unserer Jugend waren der Auftakt zu einer zumindest etwas besseren Welt: Bleifreies Benzin wurde eingeführt, es wurde über Müll und die Laufzeiten der Atomkraftwerke diskutiert. Und so wurden langsam die Flüsse wieder sauberer, der Wald bekam eine frischere Farbe, das Ozonloch verschwand – zumindest aus den Schlagzeilen.

Anfangs kauften wir in Reformhäusern noch kleine Portionen teurer Ökolebensmittel, dann gab es irgendwann Biosupermärkte, wir tauschten den Benziner gegen einen Hybrid, und die meisten von uns freuen sich heute über den Atomausstieg. Überdies lernten wir so virtuos wie sonst keine andere Nation auf der Klaviatur des Mülltrennungssystems zu spielen: braune und blaue Tonnen, grüne Punkte und gelbe Säcke – da machte uns so schnell keiner was vor. Die New York Times verlieh uns Deutschen sogar den Titel »World Recycling Champion«. Kurz: Soweit es uns betraf, war die Sache mit dem Umweltschutz auf einem guten Weg.

 

Wenn mal kein Alarm herrscht, gönnen wir uns unsere Lieblingsserie

Viele von uns haben die Geschicke der Umwelt seit damals ein wenig aus dem Blick verloren. Was zum einen daran liegt, dass wir in letzter Zeit ziemlich beschäftigt waren: Nach dem Langzeitstudium mit anschließendem Dauerpraktikum war der Weg in den ersten bezahlten Job für die meisten von uns so mühsam wie ein Hindernisparcours im Dschungelcamp. Ein wenig später stand zwischen lauter Überstunden, um die nächste Karrierestufe zu erklimmen, die Familiengründung an, eine größere Wohnung musste gefunden, am besten sogar gekauft und finanziert werden. Und heute mühen wir uns damit ab, dass uns der Haushalt nicht um die Ohren fliegt, das nächste Meeting pünktlich vorbereitet ist und die Elternabende in der Schule nicht zum Kleinkrieg ausarten. Und wenn mal gerade kein Alarm herrscht, lassen wir uns erschöpft aufs Sofa fallen und gönnen uns eine Staffel unserer Lieblingsserie.

Wir tun das mit reinem Gewissen, denn beim Durchscrollen der Online-Gazetten erliegen wir dem Eindruck, Deutschland spiele eine würdige Vorreiterrolle im Klimaschutz […] und liege voll im Plan. Nur: Welcher Plan eigentlich? Statt des geordneten Rückzugs aus dem Atomstrom und der Kohle scheint auf höherer Ebene planloses Chaos zu herrschen: Wenn die Bundesregierung CO2 einsparen will, warum wird dann noch immer billige Braunkohle verstromt – und das unter anderem mit vier der fünf klimaschädlichsten Kraftwerke in Europa? Warum wird über die Hälfte unseres sorgsam getrennten Verpackungsmülls am Ende durch den Schornstein der Verbrennungsanlagen geblasen? Und warum gibt es Autos, die mit einem sprechen und via App gestartet werden können, aber keine Elektrowagen mit vernünftiger Reichweite und passender Lade-Infrastruktur?

 

Was, wie und wo muss da eigentlich genau gerettet werden?

Und das sind nur drei Dinge, die zeigen, wie planlos Deutschland beim Klimaschutz vorgeht. Blöderweise haben wir inzwischen selbst den Durchblick verloren, was, wie und wo da eigentlich genau gerettet werden muss. Früher schienen die Probleme übersichtlicher und auch einfacher aus der Welt zu schaffen.

Dünnsäureverklappung in der Nordsee? Dagegen konnte man mit Umweltverbänden demonstrieren. Ozonloch? Kein Problem – FCKW abschaffen und nicht mehr so viel Haarspray auf die Tolle. Saurer Regen? Filter in Auspuffe und Schornsteine stopfen. Borkenkäfer? Erledigt sich von selbst, denn gesunde Bäume trotzen den Krabblern.

Heute weiß man hingegen gar nicht mehr, wo man angesichts des maroden Zustands der Natur anfangen sollte. Bei der Abholzung des Regenwalds? Bei den übersäuerten Ozeanen? Beim Plastikstrudel im Pazifik? Beim Protest gegen die Ölpipelines in Alaska? Bei der Luftverschmutzung? Oder doch lieber bei dem Sterben der Gartenvögel?

Und das sind nur die Umweltprobleme. Sie finden auch noch mitten in einer Wirtschaftskrise statt, in der es Deutschland zwar prächtig geht, aber dauernd andere Staaten pleitezugehen drohen, während die EU langsam auseinanderfliegt, Trump sich mit einem Land nach dem anderen anlegt und die Deutschen als »böse, sehr böse« verunglimpft, die NATO Truppen und Kriegsgerät nach Osteuropa verlegt, um Putin abzuschrecken, und allerorten hässliche rechtsradikale Bewegungen Zulauf finden. Das alles erscheint uns doch ziemlich komplex.

Wir überlassen das Weltretten deshalb heute lieber anderen. Unseren Politikern, die sich in zig Konferenzen den Kopf heißreden. Den Leuten von BUND und Greenpeace, die aus Erfahrung gut im Umweltschutz sind. Oder wir hoffen, dass schließlich doch irgendein findiger Tüftler etwas ausknobelt, das die großen Probleme unserer Zeit lösen wird. Vielleicht ja sogar unser eigener Nachwuchs?

Obwohl wir damit die Arbeit an der besseren Zukunft praktisch outgesourct haben, glaubten wir bislang noch an sie. Selbst wenn eine Welt mit grüner Energie, heiler Umwelt und stetem Wachstum – digital, wohlhabend, friedlich und fair gehandelt – noch nicht erreicht war, sie war machbar. Alles eine Frage der Zeit.

Doch jetzt schwebt plötzlich ein neues Label über uns: Wir sind die Generation Weltuntergang – falls die Befürchtungen der amerikanischen „Doomsday-Clock“-Apokalyptiker eintreten sollten. Wir sind die Letzten, die noch einmal beschwingt über diesen Planeten hüpfen, bevor das große Chaos ausbricht. Und ganz oben auf die Liste der Probleme hat sich irgendwie der Klimawandel gemogelt, ohne dass einer von uns davon etwas mitbekommen hätte.

 

Wie das?

Klimawandel war bisher nach unserer Auffassung etwas, das sich still und leise im Hintergrund abspielt und noch Hunderte Jahre so weiterlaufen kann, bevor man handeln muss. Denn von der Klimakatastrophe merken wir im Alltag kaum etwas. […]

Und auch wenn wir glauben, die Welt ginge unter: Müssen wir deshalb in panischen Aktionismus verfallen? Reicht es nicht, wenn wir ein bisschen öfter mit den Öffis fahren und ab und an auch mal Gemüse auf den Grill legen? […]

Es könnte jedoch am Ende auch so sein wie in einem dieser Katastrophenfilme, die „Flammendes Inferno“ oder „Erdbeben“ hießen und in unserer Kindheit immer nach dem Wort zum Sonntag im Ersten kamen: Während die ganz gewöhnlichen Menschen – also wir – sich in Sicherheit wähnen und ihr gewohntes Leben weiterleben, ahnen nur ein paar Topchecker, dass die Katastrophe vor der Tür steht. Und dann ist es zu spät, und kaum einer kann sich noch retten.

Zeit, der Sache auf den Grund zu gehen. Wie sieht es auf der Erde aus – alles halb so wild, oder stehen wir wirklich kurz vor dem Weltuntergang?

 

Über die Autoren

Anne Weiss und Stefan Bonner landeten mit ihrer bissig-witzigen Analyse „Generation Doof“ einen Jahrzehntbestseller. Seitdem schreiben sie kritisch und humorvoll über ihre Zeitgenossen. Zuletzt erschien von ihnen „Wir Kassettenkinder“.

Anne Weiss schreibt u.a. für Spiegel Online, engagiert sich ehrenamtlich bei Animal Equality, hat einen Organspendeausweis und umarmte schon mal einen Baum. Stefan Bonner hat als Verlagslektor gearbeitet und für mehrere Wirtschaftsmagazine geschrieben, bevor er einsah, dass stetiges Wachstum auf einem begrenzten Planeten Blödsinn ist.

Covergestaltung: Jonas Hafner / EyeEm; Collage, FinePic unter Verwendung von Motiven von shutterstock.com

 

 

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